Dosko kann Türkis-Blau nicht verhindern

Transkript Folge 23 „Kowall redet Tacheles“

Ob Hans-Peter Doskozil politisch oder persönlich sympathisch ist, sei nachrangig, höre ich immer wieder. Wichtig ist nur, ob er die SPÖ zur Nummer 1 machen und eine türkis-blaue Mehrheit verhindern kann. Aber, kann er das?

Reden wir einmal Tacheles

Wenn ich rechtslastige Wählerinnen und Wähler ansprechen möchte, muss ich nach rechts rücken, heißt es seit Jahrzehnten aus gewissen Kreisen in und außerhalb der SPÖ. Nehmen wir einmal an, die Welt wäre so mechanisch wie in dieser Annahme. Selbst dann gäbe es keine Garantie, dass die SPÖ mit Doskozil Platz 1 erreicht.

Ein Parteichef Doskozil würde wie ein Fanal für alle wirken, die seit Jahren an einer Alternative links zur SPÖ basteln. Und dabei sollte man nicht unterschätzen, was schon passiert ist: Die KPÖ stellt in Graz mit knapp 30 Prozent der Stimmen die Bürgermeisterin und sitzt seit bald 20 Jahren im steirischen Landtag. In der Stadt Salzburg sitzt die KPÖ im Gemeinderat und Umfragen sagen ihr Ende April den Einzug in den Salzburger Landtag voraus. In Wien hatte das Bündnis LINKS zuletzt immerhin zwei Prozent erreicht sowie einige beachtliche Ergebnisse auf Bezirksebene. Eine Linkspartei könnte einer Dosko-SPÖ durchaus einige Prozentpunkte wegknabbern. Und selbst wenn es bei einer Linkspartei für den Einzug in den Nationalrat nicht reichen sollte, könnte es der SPÖ Platz 1 kosten und noch schlimmer: Es könnte eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau im Nationalrat vereiteln.

Und die 20 Prozent, die bei der letzten Wahl trotz allem noch SPÖ gewählt haben, waren nicht so treu, weil die Performance der Partei so gut war. Nein, sie haben aus weltanschaulichen Gründen links der Mitte wählen wollten. Wie viele von denen sich einen Doskozil gefallen lassen ist völlig offen. Nun könnte man edel sein und meinen, dass Zugewinne für andere Parteien auf der linken nicht tragisch seien, wenn die SPÖ dafür genug „rechte“ Stimmen erhält. Hauptsache es gibt keine türkis-blaue Mehrheit. Es ist aber überhaupt nicht gesagt, dass eine Doskozil-SPÖ das schaffen kann.       

Der Vermutung liegt die Annahme zu Grunde, dass es ein gegebenes Wählerspektrum gibt, das tendenziell rechtslastig ist und wenn man von diesem Spektrum etwas haben möchte, dann braucht man selbst einen rechtslastigen Kandidaten. Aber natürlich ist die Welt keineswegs so mechanisch. Vielmehr stimmt die Einschätzung, dass in unserer Zeit Ideologien keine große Rolle mehr spielen. Es ist also nicht nur eine kleine Gruppe von Unabhängigen, die sich am stärksten von der aktuellen Themenlage und der Persönlichkeit inspirieren lässt, sondern ein riesiger Teil der Wählerschaft tickt so. Darum konnte eine Gabi Burgstaller 2004 in Salzburg eine Mehrheit links der Mitte gewinnen, ein Franz Voves 2005 in der Steiermark und ein Peter Kaiser 2013 in Kärnten. Ein charismatischer Menschenfänger ist Doskozil ja nicht gerade und für ein spezielles Thema, das ihm Themenführerschaft einbringen könnte, steht er auch nicht. Mit Ausnahme populistischer Anklänge in der Migrationspolitik, nur da muss er sich hinten anstellen.

Die ÖVP scheint alles zu tun, um sich von ihrer türkisen Vergangenheit nicht zu emanzipieren. Sie präsentiert sich weiterhin als rechtspopulistische Partei mit Manieren. Wenn es also mit der FPÖ eine rabiate rechtspopulistische Partei gibt und mit der ÖVP eine manierliche, was soll dann die Rolle einer Doskozil-SPÖ sein? Manierlicher Rechtspopulismus, aber mit Mindestlohn? Das wird nicht reichen, um den besser etablierten Alternativen genug Stimmen abzuluchsen. Eine Doskozil-SPÖ hätte kein Alleinstellungsmerkmal, nichts wo man sagen würde: Ja klar, dafür steht die SPÖ, danke ich kenn mich aus. Und wenn wir uns den letzten richtigen SPÖ-Wahlsieg anschauen, nämlich als Alfred Gusenbauer 2006 mit 35% auf Platz 1 lag, dann hat er das eben nicht mit Fischen im rechten Teich geschafft. Sein Thema damals war Soziales, allen voran Pflege.

Es sind auch die Einstellungen der Leute keineswegs so eingemauert, wie viele politische Beobachter glauben, nicht einmal beim Thema Flüchtlinge. Das zeigt eine Umfrage von SORA im Auftrag des Landes Oberösterreich. Die Befragung wurde im Jahr 2016, als die Flüchtlingsbewegung gerade einen Höhepunkt erreichte, in Oberösterreich durchgeführt. Es gibt eine riesige Gruppe, die SORA als „value shifter“ bezeichnet, also Leute, die je nach Frage eher liberale oder eher restriktive Antwort geben. Umso abstrakter man die Leute fragt, umso mehr Probleme sehen sie. Umso näher man in Richtung Wohngemeinde geht, umso positiver wird das Bild. Ein paar Beispiele:

Die Leute wurden gefragt, wie die Aufnahme von Flüchtlingen funktioniert hat. Hier zeigt sich schon einmal ein recht positives Bild für die regionale Ebene, nämlich für Oberösterreich. 56 Prozent fanden, es ist eher gut gelaufen. Wird nach der Wohngemeinde gefragt, sind es sogar 68 Prozent. Bei der Frage nach dem Zusammenleben mit den Flüchtlingen waren die Zahlen noch besser. Über 70 Prozent fanden, dass das in der Wohngemeinde ziemlich gut funktioniert. Es kommt also sehr darauf an, wie man in den Wald hineinruft. Das weiß die FPÖ, das weiß die türkise ÖVP und das wissen einige Boulevard-Medien. Nur wenn die SPÖ auch noch Klischees bedient und die Lage schlechter darstellt als sie ist, dann kann das die Diskussion nochmals verschärfen. Und von dieser Verschärfung profitiert am Ende sehr wahrscheinlich der blaue Schmied viel mehr als der rote Schmiedl.

In dem Moment, wo die SPÖ den rechten Populismus salonfähig macht, wird dieser Politikzugang noch selbstverständlicher als er ohnehin schon ist. Die von der FPÖ verbreiteten Wahnvorstellungen bekommen dann im Bewusstsein der Leute noch mehr Wahrheitsgehalt und das untergräbt die Chancen für die SPÖ bei allen zukünftigen Wahlen. Umso nötiger wäre eine vernünftige und solidarische Politik. Dazu muss man den Rechtspopulismus konfrontieren. Man muss sagen, dass er auf Trugschlüssen passiert und die Österreicher:innen fragen, ob es nicht Dinge gibt, die wichtiger für ihr Leben sind: Gesundheitsversorgung, Lebensqualität, Kinderbetreuung, Work-Life-Balance. Das ist mittelfristige die effektivste Strategie gegen den Rechtspopulismus und die beste Chance eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Blau zu erreichen.

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