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Ein Sieg für die Republik, nicht für die Linken

Der Rücktritt von Rainer Nowak und Matthias Schrom ist eine nötige Selbstkorrektur der republikanischen Kultur. Als es gegen Machtmissbrauch unter Faymann ging haben konservative Journalist:innen die Allianz mit Zivilgesellschaft und Künstler:innen noch beklatscht. Jetzt wird alles, was türkisen Machtmissbrauch ankreidet, als linke Machenschaft diffamiert.


Es gibt für politisch interessierte Menschen zwei grundsätzliche Zugänge zu Politik. Das erste ist die weltanschauliche Dimension, die Politik, Journalismus und Zivilgesellschaft in unterschiedlichste Lager zerstreut. Die andere ist die – nennen wir sie – „republikanische“ Dimension. Dabei interessiert vielmehr die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaats, die saubere Gewaltenteilung, der Kampf für Transparenz und gegen sowie die Kontrolle der Regierungsmacht. Lange war meiner Beobachtung nach für die meisten Journalist:innen die republikanische Dimension wichtiger als die ideologische, weshalb Menschen unterschiedlicher Weltanschauung in ein und derselben Redaktion zusammenarbeiten konnten.

Auf der anderen Seite ist meine Erfahrung mit dem parteipolitischen Spektrum, dass die weltanschauliche Dimension die Bedeutung der republikanischen überwiegt. Deshalb orchestrieren Parteien zwar die demokratische Basis-Mechanik von Regierung und Opposition durchaus passabel, insgesamt muss die Politik aber zweifelsfrei der Kontrolle von Medien, Zivilgesellschaft und Justiz unterworfen werden. Die politische Landschaft außerhalb der Parteien (Medien, Meinungsforschung, Zivilgesellschaft etc.) kann – ja soll – auf einer weltanschaulichen Ebene das Spiel der Parteien mitspielen (z.B. Standard pro Erbschaftssteuer, Presse dagegen). Auf einer republikanischen Ebene – und das ist ein zentrales Merkmal hochwertiger Demokratien – darf sie das allerdings keinesfalls tun. Sobald die Regierungsmacht ihre Befugnisse rechtlich oder auch nur moralisch überschreitet, darf das Match nicht rechts gegen links lauten, sondern Kontrolle gegen Regierungsmacht. Parteilichkeit im Journalismus ist also nicht weltanschauliche Komplizenschaft, sondern machtpolitische.  

Der Sachverhalt lässt sich an einem historischen Beispiel illustrieren: Vor zehn Jahren herrschte große Aufregung u­m die Medienpolitik der Faymann-SPÖ. Erst empörte der Versuch von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas, ihren Intimus Niko Pelinka als Büroleiter des ORF-Generals zu installieren. Später ging es um die Frage, ob Bundeskanzler Faymann in seiner Zeit als Minister ÖBB und Asfinag veranlasst hatte Inserate in einschlägigen Medien zu schalten. Wochenlang hielt die Frage, ob Faymann dazu vom Untersuchungsausschuss vorgeladen würde, die Republik in Atem.


ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf sprach von einem „Skandal erster Rangordnung“ und wollte Faymann vor den U-Ausschuss zitieren. Ähnlich kommentierte die konservative Presse. Rainer Nowak (bis eben Presse-Chefredakteur) freute sich über eine „ungewohnte Koalition aus Qualitätszeitungen, Opposition, namhaften Künstlern und Autoren“ die „Widerstand auf Papier und im Netz“ leisteten. Werner Faymann, glaube, „man könne ein Land mit zwei, drei befreundeten Medien regieren.“ Für Martina Salomon (heute Kurier-Chefredakteurin) wäre es „ein Beitrag zur politischen Hygiene“ gewesen zu klären, ob Faymann sich eine gute Berichterstattung erkauft hatte. Weiteres interessiert sie sich für das „mediale Beziehungsgeflecht der SPÖ, wo Hunderttausende Euro flossen“, und zuletzt könnte der U-Ausschuss noch eine Erkenntnis über Fellner ans Licht bringen: Wer für ihn „den Geldhahn aufdreht, dem sprudelt Zustimmung entgegen. Wer ihn sperrt, steht auf der Feindesliste.“

Auch links des konservativen Spektrums sprach man Klartext. Herbert Lackner sah ein „Paradebeispiel abstoßender Politpackelei“, Robert Misik eine „haarsträubender Trickserei“. Der damalige Bundespräsident Heinz Fischer verlautbarte, man habe der politischen Kultur in Österreich „keinen guten Dienst erwiesen“. Armin Wolf lieferte sich im ORF-Sommergespräch 2012 harte Wortgefechte mit Faymann. Gegen die Einflussnahme des Kanzlers auf den Rundfunk leistete der Redakteursrat des vermeintlich roten ORF Widerstand. Mit der mehrteiligen Serie „Niko & Laura“ zogen die Staatskünstler die jungen Roten zur ORF-Primetime durch den Kakao. Elfriede Jelinek bezeichnet Laura Rudas als „Totengräberin der SPÖ. Nachdem 1.316 ORF-Mitarbeiter:innen eine Petition gegen Pelinka unterzeichneten, machte dieser einen Rückzieher.


Selbst aus der SPÖ gab es Kritik. Max Lercher, damals steirischer Landtagsabgeordneter, kommentierte: „Ein Kanzler, der nichts zu verbergen hat, soll auch aussagen“, denn so „schadet sich die SPÖ nur selbst“. Dagegen betonte die SPÖ-Spitze, dass Weltanschauung kein Hindernis für Karriere sein dürfe (ähnlich tönte es im Vorjahr zum Thema Postenbesetzungen aus den türkisen Reihen). Dem hielten wir in der Sektion 8 entgegen: „Die junge Clique rund um das Machtzentrum der Kanzlerpartei fällt vorrangig durch absolute Loyalität zu Werner Faymann auf und dementsprechend geht es dabei nicht um weltanschauliche, sondern um machtpolitische Fragestellungen.“ Der ORF und das Gros der Medienlandschaft, die Zivilgesellschaft, Kunst und Kultur, der rote Bundespräsident und sogar Stimmen aus der SPÖ hatten sich dem Machtmissbrauch der Staatsspitze entgegengestellt. Die republikanische Allianz war voll funktionsfähig und Rainer Nowak hat sich seinerzeit öffentlich darüber gefreut.

Faymann war zweifellos Mitverursacher der desaströsen Vermengung von Politik und Boulevard. Sebastian Kurz hat die steuerfinanzierte Medienkorruption nochmals in eine andere Liga gehievt und jegliche Grenzziehung zwischen politischer Macht und journalistischer Kontrolle mit voller Absicht verwischt. Kabarettist:innen, Intellektuelle und der liberale Teil der Medienlandschaft taten unter Kurz, und tun auch derzeit, was sie damals bei Faymann getan haben. Sie schauen der Macht auf die Finger. Denn egal wo Linke, Liberale und geistesgegenwärtige Konservative weltanschaulich stehen, sie nehmen ihre republikanische Verantwortung ernst.


Doch – und das ist die ernüchternde Erkenntnis – sie stehen recht alleine da. Das konservative Spektrum der Medien – von ehrbaren Ausnahmen wie den Vorarlberger Nachrichten abgesehen – dachten nicht daran, sich klar gegen Grenzüberschreitung, Verhaberung und Machtmissbrauch der Türkisen zu stellen. Manche stellten sich auch schützend vor Strache. Kurz wird am Ende des Tages vielleicht sogar im Gefängnis landen, doch ein erheblicher Teil der konservativen Anhängerschaft folgt den alternativen Fakten der türkisen Erzählung und ortet rote Netzwerke in ORF und Staatsanwaltschaft. Das sind (bis vor kurzem) regierungsgesteuerte Verschwörungserzählungen, die wir aus Berlusconis Italien oder aus Ungarn und Polen kennen.

Sobald eine weltanschauliche Seite das republikanische Prinzip verletzt, hält der Trumpismus Einzug. Und genau das ist der Vorwurf gegen Nowak und Schrom. So wird aus einer hochwertigen Demokratie eine in allen Ratings heruntergestufte Demokratie wie die USA, wo irrwitzige Parteilichkeit das republikanische Fundament aushöhlt. Es gibt eine klare Verbindung zwischen Kurz, Orban, Trump und Konsorten. Die parteilichen Konservativen von heute verzeihen ihren Führungspersönlichkeiten Lüge, Machtmissbrauch und die Außerkraftsetzung demokratischer Grundregeln. In ihrer ideologischen Raserei pfeifen sie auf die republikanische Dimension und diffamieren alles als links außen, was nicht türkis/Pro-Trump/orbanistisch/ etc. ist. Ja sie nehmen die Beschädigung von Demokratie und Rechtsstaat vor lauter Hass auf die Gegenseite sogar bewusst in Kauf. Mit diesen Steinen ist der Weg zum Trumpismus gepflastert. Der Rücktritt von Schrom und Nowak ist kein Sieg für die Linke, sondern eine nötige Selbstkorrektur. Ein Lebenszeichen der republikanischen Kultur in Österreich.

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